Fleisch und Eier: Zweinutzungshühner schmecken besser

Pressemitteilung der Universität Hohenheim vom 11.12.2023

Fleisch und Eier:
Zweinutzungshühner schmecken besser

Kein „Entweder-Oder“, sondern „Und“ − Zweinutzungshühner liefern sowohl aromatisches Fleisch als auch wohlschmeckende Eier, so eine Studie mit Beteiligung der Uni Hohenheim.

Zweinutzungshühner erfahren seit dem Verbot des Kükentötens im Januar 2022 in Deutschland besondere Aufmerksamkeit. Bei ihnen können sowohl die Eier, als auch das Fleisch genutzt werden. Zweinutzungshühner sind eine ethische Alternative, aber wie sieht’s mit dem Geschmack aus? Im Rahmen eines Forschungsprojektes der Universität Hohenheim in Stuttgart unter Leitung des Naturland-Verbandes Baden-Württemberg waren Studierende der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Heilbronn aufgerufen, die sensorischen Eigenschaften von Fleisch und Eiern aus ökologischer Produktion zu beurteilen. Dafür haben sie im Sommer 2023 Aussehen, Geschmack und Geruch mehrerer Linien von Zweinutzungshühnern analysiert, verkostet und systematisch bewertet. Auch wenn die Testenden Unterschiede sowohl zwischen den verschiedenen Linien als auch zwischen den einzelnen Teilen – Brust, Schlegel, Flügel oder Sud – feststellten, lautete ihr Gesamturteil „Zweinutzungshühner schmecken besser!“.

Der Appetit auf Geflügelfleisch ist groß: Nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) wurden 2022 in Deutschland 11,4 Kilogramm Geflügelfleisch pro Kopf verzehrt. Aber auch Eier erfreuen sich einer großen Beliebtheit: Der Pro-Kopf-Verbrauch, inklusive verarbeiteter Produkte wie beispielsweise Backwaren, Nudeln und Fertigmahlzeiten, lag 2022 bei 230 Stück.

„Lieferte früher das klassische Landhuhn sowohl Eier als auch Fleisch, hat die große Nachfrage zu einer Trennung der verschiedenen Zuchtlinien geführt“, erklärt Prof. Dr. Lukas Kiefer vom Naturland-Verband Baden-Württemberg e.V. „Während die Lege-Linien darauf gezüchtet wurden, viele und große Eier zu legen, sollen die Hühner der Mast-Linien möglichst schnell viel Fleisch ansetzen.“

Die Folge: Männliche Küken von Legehennen wurden lange Zeit bereits am ersten Lebenstag getötet – sie legen keine Eier und liefern in der Mast zu wenig und nicht zufriedenstellendes Fleisch. Zwar gibt es seit 1. Januar 2022 in Deutschland das Verbot, frisch geschlüpfte Küken zu töten, allerdings gibt es viele Schlupflöcher, weiß Prof. Dr. Kiefer: „Uns erreichen immer wieder Berichte darüber, dass die Brut ins europäische Ausland verlagert wird, wo Küken noch getötet werden dürfen.

Alternative zum Kükentöten
Für die Umsetzung des Verbotes schlägt das BMEL drei Alternativen vor. So können bei den Lege-Linien die männlichen Küken aufgezogen und als sogenannte „Bruderhähne“ vermarktet werden. Aufgrund der geringeren Fleischqualität und der höheren Kosten stellt dies für die Betriebe jedoch einen Wettbewerbs-Nachteil dar. Alternativ kann durch das sogenannte In-Ovo-Sexing, also die Geschlechtsbestimmung bereits im Ei, verhindert werden, dass männliche Küken überhaupt ausgebrütet werden – ein Lösungsansatz der in der konventionellen Geflügelbranche derzeit überwiegt und auch von manchen Bio-Eier-Erzeuger:innen als sinnvolle Option betrachtet wird.

Doch vor allem von Öko-Verbänden wird die Geschlechtsbestimmung im Brutei aus ethischen Gründen abgelehnt. Sie setzen verstärkt auf die dritte Option: sogenannte Zweinutzungshühner. Gemeint ist damit der Einsatz der Hennen zum Eierlegen und der Hähne zur Fleischerzeugung. Doch „Zweinutzungshühner haben einen Nachteil: Sie können zwar sowohl Eier als auch Fleisch liefern, bleiben in ihrer Leistung aber rund 20 Prozent unter den etablierten Lege- und Mastlinien“, sagt Prof. Dr. Kiefer. „Das schlägt sich natürlich auch im Preis nieder.“

Noch kein Markt für Zweinutzungshühner in Baden-Württemberg
Derzeit halten und vertreiben nur wenige Pionierbetriebe in Baden-Württemberg solche Tiere. „In Baden-Württemberg gibt es derzeit keinen Markt für Zweinutzungshühner“, beschreibt Dr. Beate Gebhardt vom AK BEST der Universität Hohenheim. Abhilfe schaffen will hier das Projekt „Zweiwert“. Gemeinsam mit weiteren Partner:innen wollen der Naturland-Verband und die Universität Hohenheim ein regionales Netzwerk schaffen, um die Wertschöpfungskette „Zweinutzungshuhn“ in Baden-Württemberg aufzubauen.

Denn oft sind die bestehenden Produktions- und Lieferstrukturen noch nicht ausreichend. Vielfach scheitere die Vermarktung an ganz banalen Dingen, beschreibt Prof. Dr. Kiefer: „So können Zweinutzungshühner in gängigen Schlachtbetrieben oft nicht verarbeitet werden, weil die Schlachtlinien nicht auf ihre Größe ausgelegt sind.“

„Aber auch der Großteil der Verbraucher:innen kann mit dem Begriff ‚Zweinutzungshuhn‘ nicht viel anfangen“, erklärt Dr. Gebhardt. Damit steht die Vermarktung von Zweinutzungshühnern vor großen Herausforderungen: „Da die Produkte noch wenig bekannt sind, ist eine effektive Kommunikation zu Werten wie Nachhaltigkeit und Tierwohl wichtig.“

Produktqualität erlebbar machen
Die Kritik an der heutigen Geflügelhaltung und zunehmende Ansprüche führten dazu, dass Verbraucher:innen immer mehr Wert auf die biologische Qualität und eine regionale Herkunft der Produkte legten. Dabei zeigten sich bestimmte Käuferschichten auch bereit, mehr Geld für Eier und Fleisch von Zweinutzungshühnern zu bezahlen.

„Das allein wird allerdings nicht ausreichen. Wichtig ist es auch die Konsumierenden von der Qualität der Produkte zu überzeugen“, fährt Dr. Gebhardt fort. „Studien zeigen, dass der Genuss bzw. der Geschmack häufig an erster Stelle beim Kauf von Lebensmitteln stehen. Ein als angemessen empfundener Preis gibt dann oftmals den letzten Ausschlag.“

Ein entscheidender Ansatz ist es also, das Produkt für die Konsumierenden erlebbar zu machen. Wer die Hintergründe kennt und Gelegenheit hatte, sich von der Qualität zu überzeugen, der wird bewusster einkaufen und auch höhere Preise akzeptieren, so die Erwartung der Projektbeteiligten.

Aromatischer Geschmack – auch ohne Salz und andere Gewürze
Mit der Aufgabe innovative Vermarktungsstrategien für Zweinutzungshühner zu entwickeln, beschäftigten sich im Sommer 2023 auch Studierende der Fachrichtung Food Management der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW). Im Rahmen eines Praxisprojektes waren sie aufgerufen, sowohl Fleisch als auch Eier von Zweinutzungshühnern blind zu verkosten und zu bewerten.

Im Test waren vier Linien von Zweinutzungshühnern aus ökologischer Produktion sowie Hühner bzw. Eier aus dem Supermarkt zum Vergleich. Anhand eines mehrteiligen Fragebogens beurteilten die Studierenden die sensorischen Eigenschaften wie Aussehen, Geschmack und Geruch von Brust, Flügel und Schlegel sowie vom Sud und den Eiern.

Auch wenn es sich nur um einen ersten Test handelt, an dem nur wenige Personen teilnahmen, lässt sich das allgemeine Urteil kurz zusammenfassen: „Zweinutzungshühner schmecken besser!“ Obwohl ohne Salz oder andere würzende Zutaten gekocht, konnten sie vor allem durch ihr Aroma überzeugen. Sollten sich diese Ergebnisse in weiteren Tests bestätigen, könnten Zweinutzungshühnern von den Verbraucher:innen stärker akzeptiert werden und zu deren weiteren Verbreitung beitragen.

HINTERGRUND: Projekt ZweiWert
Im Rahmen der Europäische Innovationspartnerschaften (EIP) fördern die Europäische Union (EU) und das Ministerium für Ernährung, ländliche Räume und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) das Projekt „Aufbau von Wertschöpfungsketten für Zweinutzungshühner in Baden-Württemberg“ (ZweiWert) von 01/2022 bis 12/2024. Unter der Leitung des Naturland-Verbandes Baden-Württemberg e. V. befassen sich mehrere Fachgebiete der Universität Hohenheim sowie weitere Partner:innen aus der landwirtschaftlichen Erzeugung und Vermarktung mit dem Aufbau einer Wertschöpfungskette zu Zweinutzungshühnern in Baden-Württemberg. Dabei möchten sie alle Stufen von der Züchtung bis zur Vermarktung im Dialog unterstützen, um so ein Angebot von Zweinutzungshühnern aus bäuerlicher Züchtung und Haltung mit sich daran anschließender regionaler Verarbeitung und Vermarktung zu schaffen.

Weitere Infos: https://www.zwei-wert.de
Studienbericht: opus.uni-hohenheim.de/volltexte/2023/2230

HINTERGRUND: AK BEST am Fachgebiet Agrarmärkte
Der Arbeitskreis Business Excellence and Sustainability Transformation (AK BEST) am Fachgebiet Agrarmärkte der Universität Hohenheim befasst sich praxisorientiert mit der Exzellenz von Unternehmen und den dafür geeigneten Bewertungs- und Kommunikationsinstrumenten, die zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Außerdem werden Kommunikation und Kennzeichnungen für hochwertige Lebensmittel, Besonderheiten und Nachhaltigkeit von Agrar- und Lebensmittelmärkten sowie Erwartungen und Verhaltensweisen von Stakeholdern im Lebensmittelbereich analysiert. Um Stakeholdern Orientierung oder herausragenden Ansätzen mehr Sichtbarkeit zu geben, werden im Dialog und permanenten Austausch von Wissenschaft und Praxis Möglichkeiten ausgelotet und neue Ansätze entwickelt.

HINTERGRUND: Einsatz von Tieren an der Universität Hohenheim
Für die Verkostungsstudie wurden Eier und geschlachtete Tiere der verschiedenen Linien bei den Erzeugern bezogen. Rechtlich handelt es sich dabei nicht um Tierversuche.

Die Universität Hohenheim ist Erstunterzeichnerin der 2021 gestarteten, bundesweiten Initiative Transparente Tierversuche. Erkenntnisgewinn und Wissensvermittlung zum Nutzen aller Lebewesen und zum Schutz unseres Planeten ist auf absehbare Zeit nicht ohne Forschung und Lehre mit Tieren möglich. An deren Durchführung legen Gesellschaft, Gesetzgeber und die Universität Hohenheim selbst sehr strenge Maßstäbe: Bereits 2017 hat sich die Universität eine Leitlinie gegeben, in der sie sich weiterhin zur Notwendigkeit von Tierversuchen bekennt, aber auch zur Verpflichtung, diese zu reduzieren, abzumildern und transparent darüber zu informieren.

Aufschluss über den Umfang der Tierversuche an der Universität Hohenheim gibt die offizielle Versuchstiermeldung. Jährlich meldet die Universität darin jedes Versuchstier, an dem ein Tierversuch abgeschlossen wurde.

Weitere Infos unter www.uni-hohenheim.de/tierversuche

 

Pressemitteilung der Universität Hohenheim vom 11.12.2023

Text: Stuhlemmer